Flensburg à Zürich
1500km Höhen und Tiefen
Copyright by Marco Schindler
1. Wie
alles begann (Im
Moment plane ich meinen (Sommer-)Urlaub 2011)
2. The
Day before Zweifel?
3. Zugfahrt
à Dänemark Die
Reise beginnt
4. Tag
1 Flensburg
à Quickborn
5. Tag
2 Quickborn
à Hamburg à Borgfeld
6. Tag
3 Borgfeld
à Bremen à Porta
Westfalica Der
Weserradweg ohne Weser
7. Tag
4 Porta
Westfalica à Bad Arolsen
(Twistesee) Endlich Abwechslungsreiches Land
8. Tag
5 Bad
Arolsen à Battenberg
Dodenau Das schöne Hessenland
9. Tag 6 Battenberg
Dodenau à Wiebaden Höhenmeter und der fiese Umweg über
die Platte
10. Tag
7 Wiesbaden
à Karlsruhe Etappenrekord!
11. Tag
8 Karlsruhe
à Lahr à Villingen
Schwenningen Das
Mentale Ende?
12. Tag 9 Villingen
à Schaffhausen
à Zürich Überwältigt
13. Zürich Belohnung
14. Rückblick
Mein Vorhaben ist ganz kurz
beschrieben, eine kleine Fahrradtour von Flensburg nach Zürich. Rund 1100km,
übernachtet wird in Jugendherbergen oder Pensionen. Die Anreise erfolgt mit dem
Zug, Ticket wurde mind. 4 Wochen im Voraus gebucht und kann sich mit 34,00€
(incl. Bike) wohl sehen lassen.
Auf der Strecke sollte auf jeden Fall Hamburg liegen, was ja nicht ein Problem darstellen aber einen Umweg in Kauf nehmen sollte.
Also habe ich mich hingesetzt und
meine Tourenplanung begonnen und nach langem hin und her und langem suchen nach
geeigneten Radwegen die Planung abschließen können.
Der im Vorfeld bedachte Ochsenweg
von Flensburg nach Hamburg sollte als erste Etappe ein reiner Radweg sein,
würde im nach hinein jedoch mit knapp 250km (90km Umweg) den Rahmen sprengen.
Also hab ich mich entschieden diese Strecke auf Landstraßen und Nebenstrecken
hinter mich zu bringen. Der Abschnitt mit ca. 160 km und wenigen Höhenmetern
sollte an einem Tag zu schaffen und ein schöner Einstieg sein.
Danach geht es weiter nach
Bremen, mit rund 115km eine etwas kürzere Tagesetappe.
Wenn Bremen geschafft ist, geht es auf den Weserradweg wieder Richtung Süden, dieser soll dann in Rinteln nach ca. 120km enden und der Weg weiter über Land- und Nebenstraßen zur 135km entfernten Edertalsperre führen.
Als nächstes Ziel war eigentlich Mainz geplant, da jedoch vorerst kein passender Radweg gefunden wurde, war die Strecke ebenfalls auf Nebenstraßen über Winterberg angedacht. Durch Zufall war ich dann auf den Radweg R8 (Vom Edertal zur Bergstraße) gestoßen. Da mir dieser nach einem kleinen Bericht zusagte, sollte dieser in die Planung aufgenommen werden.
Also werde ich diesen auch bis zu irgendeiner Abbiegung zum Rhein oder aber bis Heppenheim durchradeln wollen, wo direkt der Rheintal-Weg anschließen wird. In Schaffhausen ist dann eine Übernachtung eingeplant. Von hier soll es dann über die Grenze in Richtung Zürich gehen, wo ich hoffentlich zwei bekannte Gesichter begegnen werde.
Ich hoffe im Vorfeld das ich keinen Kettenriss und Speichenbruch erlebe und freue mich auf ein neues und noch völlig unbekanntes Abendteuer.
Geradelt wird mit Rucksack und
eventuell einem Gepäckträger der an die Sattelstange geklemmt wird. Angeboten
bekam ich ein GPS fürs Fahrrad, möchte aber gerne darauf verzichten und werde
diese oben aufgeführten Karten als Orientierung nutzen. Als einziges
technisches Highlight wird nur mein Mobiltelefon am Mann, sein, wenn es gar
nicht weitergehen sollte, kann mich das integrierte GPS weiter helfen,
vorausgesetzt der Akku gibt nicht gerade in diesem Moment auf.
Mitgenommen soll also nur das
nötigste was man so zum radeln braucht. Aus dem Internet hab ich eine ganz
passable Auflistung gezogen wo ich mich orientieren wollte, habe mich aber für
die folgenden Gegenstände entschieden:
Zum Radeln:
-
2x Trikot
-
2x Funktionsunterhemden
-
2 Radhosen
-
1 lange Radhose
-
1 wärmere Windjacke
-
1 Regenjacke
-
Fahrradschuhe
-
2P Funktionssocken
-
1 Funktionsshirt
Für abends
-
2 T-Shirts
-
1 Outdoor-Hose
-
2P Socken
-
3 U-Hosen
-
1 Langarmshirt
-
2 kl Handtücher
-
Badelatschen
Werkzeug:
-
Multitool
-
2x Ersatzschlauch
-
2x Kettenschlösser
-
Panzertape
-
Kabelbinder
-
Kl. Schraubendreher
-
1 Dose Kettenspray
-
Luftpumpe
Für die Verpflegung:
-
8 Päckchen Energygel
-
8 Riegel
Erste Hilfe:
-
Vaseline
-
Bephantenhol
-
Mobilat
-
Probepäckchen Duschgel (Gewichtseinsparung)
Nach einer Probefahrt mit dem
gepacktem Rucksack flogen als erstes die Schuhe für abends raus. So kam ich auf
ein Gewicht von 6-7kg.
Ein Focus Redskin der 29er-Serie, ausgestattet mit dem Reifen “TourenPlus von Schwalbe“
The Day before… Zweifel?
Fahrrad gecheckt, Rucksack zum
100 Mal gepackt und den Inhalt aufs Minimum reduziert à 6kg (!). Das Wetter
für die nächsten Tage vorhersagen lassen, alle Papiere und Routenpläne
eingepackt. Geprüft das in der Vorplanung nix vergessen ging. Und trotzdem
fehlt das wesentliche, die Übernachtungsmöglichkeiten.
Was macht man? Gibt man sich den
Stress und den Zeitdruck und bucht alle Übernachtungen besser vor? Ich habe mich entschieden es nicht zu tun um
freier in der Entscheidung und freier mit der Zeit zu sein. Zeitdruck, Leistungsdruck,
Stress hat man doch den ganzen Tag oder besser das ganze Jahr im Berufsleben.
Also hab ich mich entschieden mir diese Pflicht zu nehmen und kann selber
entscheiden wenn es nicht mehr weiter gehen soll, ich Pause machen mag, mir
Sehenswürdigkeiten geben möchte oder einfach weiter und weiter fahren möchte.
Im Moment bin ich hundemüde, aber
bin noch nicht bereit ins Bett zu gehen, kann mir schon denken das ich um 5Uhr
schon wieder wach sein werde.
Es ist ein komisches Gefühl,
hundert Fragen gehen durch den Kopf. Wird es ein kleines/großes Abenteuer? Was
wird auf mich zu kommen oder mich erwarten? Wäre es besser gewesen mit / in
einer Gruppe zu fahren? …
Der Kopf versucht zu berechnen
was alles schief gehen kann…
Es kann aber nichts schief gehen
da alles Vorbereitet ist und das Material in einem “Top Zustand“ ist.
Man Versucht zumindest
gegenzusteuern…
Aber hat nicht bei jedem kleinen
oder bisschen größeren Vorhaben immer mal Zweifel?
Im Großen und Ganzen bin ich
optimistisch und freue mich im tiefsten Innern auf die Tour. Ich hoffe viele
nette und neue Menschen kennen zu lernen und hoffe hier und da auf
Gleichgesinnte zu stoßen oder man sich zumindest Streckeweise einer Gruppe
anschließen kann.
Zwischendurch hab ich die eine
oder andere Begegnung eingeplant wo ich mich ebenfalls drauf freue.
Also versuch ich bald mit
positiven Gedanken ins Bett zu springen und die eigene und gewohnte Umgebung zu
genießen. Morgen ist die Unterkunft in einem Hostel gesichert, übermorgen…(?)
ist die Übernachtungsmöglichkeit noch offen, aber es wird sich schon was
ergeben…
Ich freue mich schon auf die
Tour, auf das was ich erleben werde und auf das, was ich am “Day after…“
berichten kann.
Also wünscht mir (k)ein
Kettenriss und Speichenbruch…
Zugfahrt à Dänemark Die Reise beginnt
Bereits um 6:00Uhr klingelte der
Wecker. Es sollte sich gemütlich fertig gemacht werden und noch mal ein letzter
Blick aufs Gepäck geworfen werden das auch nichts vergessen geht. Aber wie es
immer so ist wurde so lange getrödelt das es morgens fast in Stress ausgeartet
wäre. Um 9:35 Uhr sollte der Zug in Gießen abfahren, also kam Patrick
eineinhalb Stunden zuvor mich abholen. Lieber bisschen zu früh, auch hier
wieder das Sicherheitsdenken “es könnte ja was dazwischen kommen“.
Wir waren 30 Minuten vor Abfahrt
am Bahnhof und hatte genügend Zeit noch ein Kaffee zu schlürfen und eine
Kleinigkeit zu essen.
Der Zug kam und es ging pünktlich
los. Die Fahrt sollte für mich bei der ersten Umsteigestation Hannover enden.
Da genügend Fahrradstellplätze vorhanden waren, gab es zumindest hier, schon
mal keine Probleme. Ein Sitzplatz mit Blicknähe zum Bike war schnell gefunden
und der Zug rollte zügig an.
Bis sich jeder einen Platz
gesucht und seine Sachen verstaut hatte, schaute ich mich mal nach Bikern die
evtl ähnliches vorhatten um. “Schwer bepackte Bikes“ waren schließlich mit an
Bord. Einer von Ihnen saß direkt hinter mir, also suchte man den ersten
Blickkontakt um eventuell ein Gespräch beginnen zu können. Dieser Herr wich
jedoch jedem Kontakt aus und signalisierte eine gewisse Ignoranz.
Zwei Sitze weiter vorne saß ein
junges Mädel, wo ich erst auf eine Studentin tippte, die jedoch mit riesigen
Kopfhörern und einem MP3-Player beschäftigt war. Vor dieser, eine Gruppe von 3
Herren mittleren Alters, ebenfalls mit bepackten Bike´s an Bord gestiegen.
Also fuhr ich in Gedanken
versunken mit der Bahn dahin, bis wir letztendlich in Hannover ankamen.
Während dem Aussteigen, wo es
dann doch nicht ganz ohne gegenseitige Hilfeleistung gehen sollte, kam ich mit
der Dreiergruppe ins Gespräch. Sie waren von Wolfsburg angereist, ihre Tour
sollte mit rund 200km in 2 Tagen von Hannover nach Wolfsburg zurück gehen. Sie
waren erstaunt über mein Vorhaben. Wünschten uns nach einem kurzem Gespräch
eine gute und pannenfreie Fahrt und gingen wieder auseinander.
Hauptbahnhof Hannover
Hannover war der Startbahnhof für
den darauffolgenden Zug und stand bereits längere Zeit am Gleis. Also wieder
Fahrrad unterbringen, Sitzplatz suchen und den Rucksack verstauen.
Wie ich feststellen konnte war es
der gleiche Zug wie der mit dem ich von Gießen kam, wurde sogar dort stehen
gelassen wo wir ausgestiegen waren. Fiel mir jedoch erst später auf da ich
aufgrund der Wartezeit den Bahnhof kurzzeitig verlassen hatte.
Bis auf das junge Mädel mit den
riesigen Kopfhörern war kein bekanntes Gesicht mehr im Zug. Also setzte ich
mich auf meinen alten Platz und hoffte das es bald weiter geht.
Hinter mich setzte sich eine ältere
Frau. Es dauerte nur kurze Zeit, da kamen wir ins Gespräch. Nachdem sie mich
fragte wo denn meine Reise hin gehen sollte und ich ihr meine Vorhaben
schilderte, erzählte sie mir das sie mit Ihrem Mann und ihren Kindern neben
etliche Touren im landesinneren die komplette Küste Dänemarks per Fahrrad
abgefahren wäre. Jetzt aber nur noch Urlaub auf Sylt machen würde, dies ganz
ohne Fahrrad weil sie zuhause in Hannover genug Fahrrad fahren würde. Der
Wehmut war der Dame bei ihren Erinnerungen anzumerken, so versuchte ich das
Gespräch auf andere und heitere Themen umzulenken.
Kurz darauf führte das junge
Mädel ein aufgeregtes Gespräch am Telefon. Sie schilderte das ihr Fahrrad
kaputt wäre und sich nicht mehr in die verschiedenen Gänge schalten lassen
würde. Also bot ich meine Hilfe an und zumindest mal die Sache anschauen
könnte. Mein Vorhaben scheiterte an dem Alter des Models, da es noch mit ganz
gewöhnlichen Schrauben und nicht wie die “neueren Modelle“ mit Imbus-Schrauben
ausgestattet war. Der Schaltzug war hinzu sowieso aufgesplissen, da wäre einen
feste Verschraubung mit einen passendem Schlüssel kaum möglich gewesen. Also
erklärte ich ihr, dass ziemlich jeder Fahrradhändler dieses Problem schnell
gelöst haben dürfte. Im Gespräch kam heraus, das sie mit einer Freundin für
eine Fahrradtour von Hamburg aus verabredet war.
So ging die Zugfahrt schnell
vorüber und mein letzter Umsteigebahnhof Hamburg war erreicht. Da ich hier
nicht allzu lange Warte- bzw. Umsteigezeit hatte, musste ich sehen, dass ich
zügig an den richtigen Bahnsteig komme.
Die letzte Zugfahrt war eher
langweilig und die anstehenden zwei Stunden sollten sich wie eine Ewigkeit in
die Länge ziehen. Auch hier fiel wieder auf, wie viele Menschen einfach stur an
jemanden vorbei gehen, völligst resigniert zu ihren Mitmenschen und zu ihrer
Umwelt durch ihr Leben gehen. Aber diese Beobachtung sollte ich noch viele Male
auf meiner Reise machen.
Durch die Langeweile kamen wieder
die ersten Selbstzweifel auf und man machte sich Gedanken über Dinge die schief
gehen könnten. Das komische Gefühl kam wieder auf und die hundert Fragen
schossen erneut durch den Kopf. Also schaute man sich aus dem Zug die
Landschaft an und versuchte zu berechnen wie schnell / lange der Zug für die
Strecke Hamburg > Flensburg benötigt und wie lange man das, wesentlich
langsamer, mit dem Fahrrad brauchen würde. Was mich auf der Reise wirklich
erwarten sollte, konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht vorstellen,
wird sich aber im Verlauf der Geschichte zeigen.
In Flensburg angekommen, fragte
ich nach dem Weg zur dem bereits gebuchten Hostel. Die gesuchte Straße war fast
um die Ecke und somit schnell erreicht. Da es noch relativ früh am Abend war,
machte ich mich noch mal mit dem Fahrrad los um Flensburg ein wenig zu erkunden,
vielleicht sollte ich auch mal an der “Bank“ vorbei kommen wo sich mein
Punktekonto befindet. Hierbei kam mir in den Sinn das Dänemark in greifbarer
Nähe ist und ich ja mal zur Grenze hoch fahren könnte. Also machte ich mich auf
den Weg und spulte die ersten 10km meiner Reise an der Flensburger Förde auf
dem Fahrrad runter.
Nach kurzer Zeit war ich an der Grenze zu Dänemark angekommen, radelte noch ein Stück Richtung Krusa und kehrte wieder um nach Flensburg zurück, schließlich hatte ich noch nichts im Magen und dieser begann sich mit lautem Grummeln zu beschweren.
So konnte auch keiner bemängeln das ich auf meiner “Nord / Südtour“ 7 km nach Dänemark ausgelassen hätte. Und das keiner behauptet ich hätte die Bilder aus dem Internet gezogen, musste ich natürlich immer Bilder mit einem Beweisstück machen.
Tag 1 Flensburg à Quickborn Der erste Tag
Der erste Tag begann mit der Suche nach dem richtigen Ausgang aus Flensburg raus. Meine ausgedruckte Karte zeigte zwar die größeren Städte, was ja auch eigentlich ausreichen sollte, aber die Beschilderung in genau die größeren Städte führten alle auf die Autobahn. Und da ich zumindest am ersten Tag noch nicht als Fahrradfahrer auf der Autobahn im Radio und später auf der Polizeiwache enden wollte, fragte ich mich nach der richtigen Richtung durch. Diese war auch schnell gefunden und ich sollte zügig aus Flensburg raus kommen.
Da meine erste Etappe Richtung
Hamburg auf Landstraßen geplant war, stellte ich erfreulicherweise fest, dass
im hohen Norden alle Land- und Bundesstraßen parallel einen festen Fahrradweg
mit eigener Beschilderung haben. So fand ich schnell mein Tempo und kam mit
einer ganz passablen Geschwindigkeit voran.
Nach den ersten Stunden und einigen
Kilometern nervten die, zwar nicht direkt, an mir vorbei rauschenden LKW und
PKW´s. Der Radweg war mit einem Grünstreifen von der Fahrbahn getrennt, aber
der Verkehrslärm störte auf Dauer doch. Der Lärm sollte nicht lange anhalten,
denn der geplante Weg führte weg von der B4 und verlief an der ruhigen L39
entlang. Teilweise waren Nebenstrecken dabei, wo keine separaten Fahrradwege
von Nöten waren und man mitten auf der Landstraße radeln konnte ohne das man
irgendwelche Fahrzeuge behinderte.
Hier machte sich das erste Mal
ein bisschen das Gefühl von Freiheit in mir breit, man schaute sich die Natur
an, lauschte durch den Fahrtwind nach den Geräuschen der Natur und versuchte
den Kopf abzuschalten. Dies sollte an dem ersten Tag natürlich noch nicht oder
besser gesagt kaum gelingen, da immer wieder die Spannung und die hunderte von
misstrauischen Fragen in einem aufsteigen sollten.
Fernsehturm von Schleswig
Während der Zugfahrt spottete ich
noch über das flache Land und teilte mit, dass man hier ja sehen könne wer am
übernächsten Tag einem die Kekse aus dem Schrank klauen möchte. Jetzt sollte es
sich aber mit nicht enden wollenden Steigungen um die 1% rächen. Der
(Gegen-)Wind wurde hier noch als normal eingestuft, trug aber auch sein Teil
bei, die Steigungen endlos erscheinen zu lassen.
So lief es aus meiner Sicht ganz
gut, so das ich doch schneller als erwartet den Nord-Ostsee Kanal erreichte,
den ich durch den Fußgängertunnel unterquerte.
Fußgängertunnel Rendsburg
Ich teilte mir die Strecke sowie
die Pausen auf kleine Etappen von 40km bzw. einer Zeit von jeweils 2 Stunden ein,
füllte mir die Wasserflaschen auf und verspeiste immer eine Kleinigkeit. So kam
ich nach 6:26h und 155,57km in Quickborn an. Da ich ja wie bereits erwähnt
keine Unterkunft geplant hatte, ich mich mit der ersten Tagesettape zufrieden
geben wollte und eine Problematik mit der Unterkunft in Hamburg befürchtete,
begann ich mir hier eine Unterkunft zu suchen.
Da sich eine günstige Jugendherberge bzw. ein Hostel nicht in unmittelbarer Nähe befanden, entschloss ich mich in einem relativ günstigen Etap-Hotel einzuchecken. Da das Hotel über keine sicheren Fahrradstellplätze verfügte, gab mir der freundliche Rezeptionist kurzerhand ein behindertengerechtes Zimmer, damit ich mein Bike mit im Zimmer unterstellen konnte und es somit gesichert war, dass ich die Tour nicht am nächsten Tag zu Fuß fortsetzen sollte. An dieser Stelle noch mal vielen Dank!
Hamburg in greifbarer Nähe und zufrieden mit dem ersten Tag entschloss ich mich, mir an dem folgenden Tag mehr Zeit in Hamburg zu nehmen. Mit der Frage ob es weiterhin so gut laufen sollte wie die Tour und der erste Tag begann schlief ich schnell und fest ein.
Daten:
155,57 km
6:26;54 h
D.-Geschw. 24,10 km/h
482HM
D.-Steig 1%
Max.-Steig 4%
Tag 2 Quickborn à Hamburg à Borgfeld
Tag 2 Quickborn à Hamburg à Borgfeld
Nachdem ich nachts paar mal wach
wurde, stand ich gegen 6:00Uhr auf und packte meine Sachen und meinen Rucksack
wieder zusammen. Viel war es ja zum Glück nicht.
Trotzdem verspürte ich im
Oberkörper einen leichten Muskelkater, den lies ich auf das Gewicht des ohnehin
ungewohnten Rucksacks zurückführen, aber so und so hätte ich nichts daran
ändern können, ohne Rucksack konnte ich die Tour wohl kaum fortführen.
Nach einem ausgiebigen Frühstück und
voller Hoffnung das der Tag wieder so gut läuft, machte ich mich gegen 7:30Uhr
auf den Weg und führte meine Reise Richtung Hamburg fort.
Da Hamburg knapp 20km entfernt lag,
war die Stadt voller Vorfreude schnell erreicht. Ich machte einen kleinen
Abstecher nach St.Pauli, befuhr die Reeperbahn und schoss ein paar
Erinnerungsfotos.
Große Freiheit
An der Davidswache sah ich wie
sich eine Mutter und ihre Tochter gegenseitig fotografierten. Da man ja in
diesem Fall selten gemeinsam auf einem Foto kommt, bot ich Ihnen an sie
gemeinsam zu fotografieren, im Gegenzug mussten sie natürlich ein Foto von mir
machen.
Als ich der Meinung war genug gesehen zu haben, fuhr ich weiter über den Fischmarkt, vorbei an der bekannten Hafenkneipe Schellfischposten, zu den Landungsbrücken. Da diese Gegend mir persönlich einen gewissen Urlaubsflair vermittelt, schlenderte ich langsam über die Landungsbrücken, beobachtete die Urlauber und amüsierte mich über die Versuche der Anbieter für Hafenrundfahrten die Boote mit Touristen zu füllen. Setzte mich in die Sonne und trank gemütlich einen Kaffee und lies schließlich alles auf mich einwirken.
Das nächste Ziel sollte Bremen
sein, da die direkte Entfernung um die 110km ist, wollte ich mich dann doch
nicht zu lange aufhalten und machte mich wieder weiter. So ging es durch in den
Fahrstuhl des “alten Elbtunnels“ unter die Elbe durch auf die andere Seite in
den Dockhafen / Steinwerder.
Während der Fahrt erzählte er mir
von dem Hafengeschehen und das er in Hamburg Postbote wäre. Die Post würde mit
dem Fahrrad ausfahren.
In Harburg angekommen blieb er
plötzlich stehen, sagte er möchte jetzt was erledigen, wünschte mir viel Glück
und gute Fahrt und war auch schon weg. Fand ich vorerst komisch, aber passt nun
mal zur Hamburger Mentalität. Er führte mich, gewollt oder nicht, genau zu dem
Schild wo der Weg ausgewiesen war, so konnte ich die Weiterfahrt ohne lange
Suchen zu müssen in die richtige Richtung fortsetzen. Dies sollte jedoch nicht
lange gut gehen, weil die Beschilderung war in der Stadt schlecht und nicht zu
folgen. Entweder war es durch die Planer einfach schlecht ausgewiesen, oder es
sind welche entfernt worden, durch wem auch immer.
Also hielt ich mich nach dem Rat
des Postboten und fuhr zunächst auf die Harburger Berge und nach Gefühl und Straßenbeschilderung
Richtung Hollenstedt / Heidenau. Mein Glück sollte mich nicht verlassen und ich
fand den Weg wieder. Ab jetzt war die Beschilderung besser und leichter zu
folgen. Der ausgewiesene Radweg ging wider erwarten nicht direkt nach Bremen,
sondern schlängelte sich von Ortschaft zu Ortschaft und führte im Zickzackkurs
Richtung Bremen.
Kilometerlange Abschnitte mit
Kopfsteinpflaster, versandete Wege und wie am Tag zuvor machten eine steife
Brise Gegenwind diese Etappe zur ersten Geduldsprobe. Wenigstens war es wieder
mal ein Regenfreier Tag und mit Temperaturen um die 20°C vom Wetter her
angenehm.
Ca. 30 km vor dem Etappenziel
machte ich eine kurze Rast um meine Kräfte zu sammeln, die Kette zu ölen und
die weitere Fahrtrichtung herauszubekommen. Da ich wegen den Umwegen von dem
Hamburg-Bremen-Radweg abgelassen und mich entschlossen hatte den restlichen Weg
per Landstraße zu bewältigen, musste ich die weitere Route über die einzelnen
Ortschaften erkunden. Hier kam ein langhaariger blonder junger Mann mit einem
alten klapprigen Fahrrad, bestückt mit 2 Bierkästen, gefüllt mit Rucksack und
Tüten, die mit unzähligen Kabelbindern am Lenker und Gepäckträger befestigt
waren, vorbei. Da er mit Badehose und Badelatschen bekleidet war vermittelte er
den Eindruck, dass er vom Badesee oder aus dem Schwimmbad kommen würde. Dies
sollte sich jedoch im Verlauf der Geschichte nicht bestätigen.
Da auch hier die Landstraßen einen parallel verlaufenden Fahrradweg hatten, führte ich meine Route auf direkterem Wege zu den nächsten Ortschaften fort. Kurz darauf kam mir der eben genannte Radfahrer wieder in mein Blickfeld und da er ein gemütliches Tempo fuhr, auch schnell näher. Auf seiner Höhe grüßten wir uns und kamen schnell ins Gespräch.
Er stellte sich als Jeremias vor.
Erzählte mir, dass er auf dem Weg nach Amsterdam sei weil er dort ein Job habe.
Da er Geld sparen müsse habe er den Weg per Rad gewählt, er wäre sich nur nicht
sicher ob das Fahrrad durchhalten würde da es “komische Geräusche“ machen
würde. Nach einem kurzen Blick sah ich, dass die Kette völligst trocken und
rostig war. Die Geräusche neben dem abgebrochenem Schutzblech und dem sonstigem
überholungsbedürftigem Zustand des Rads nur von dort kommen konnten. Also
blieben wir an der nächsten Kreuzung stehen und ich ölte ihm die Kette und
sonstige bewegliche Teile mit meinem Kettenspray. Als wir unsere Tour
fortsetzten, hörte sich das ganze gar nicht mehr so schlimm an und ich glaubte
selber wieder, dass er die Strecke mit dem Fahrrad durchhalten könnte.
Auf den weiteren Weg erzählte er,
er komme eigentlich aus Australien, seine Mutter sei aber Dänin, so habe er die
doppelte Staatsbürgerschaft und wollte eine zeitlang in Europa leben. Im Winter
würde er arbeiten und das verdiente Geld sparen damit er im Sommer ohne viel
arbeiten zu müssen davon leben kann. So würde er immer mal die Stadt wechseln
und oftmals mit Couchsurfing eine gute Bleibe finden wo er immer mal ein paar
Nächte verbringen kann. Zur Not habe er ein Zelt wo er übernachten kann.
Ich erzählte ihm meine Geschichte
und wir redeten über Gott und die Welt. So vergingen die letzten 30km wie im
Flug und ich spürte kaum den Schmerz der sich durch den stundenlangen Kampf
gegen den Gegenwind in meiner rechten Wade breit machte.
So kamen wir in dem 10km vor
Bremen gelegenen Borgfeld an. Jeremias und ich verabschiedeten uns herzlichst,
da er in der Hoffnung eine Schlafmöglichkeit zu finden bis Bremen durchfahren
wollte.
Eine Jugendherberge war nur in
entgegen gesetzter Richtung, so wurde eine Pension gesucht und war
glücklicherweise schnell gefunden. Da mir nur ein Fahrradstellplatz im
Außenbereich angeboten werden konnte, war ich erleichtert ein Zimmer mit Balkon
ergattern zu können. Kurzer Hand schleppte ich mein Bike die Treppe hoch, durch
mein Zimmer und deponierte es in sicherer Höhe auf dem Balkon. Das Zimmer war
zwar auch wieder deutlich teurer als eine Jugendherberge, aber mir blieb in
diesem Fall keine große bzw. andere Wahl.
Trotz der Strapazen an diesem Tag ging ich optimistisch ins Bett. Es ist erst der zweite Tag vorbei, knapp 320km sind trotz den erschwerten Bedingungen geschafft und der Wind war auf diesen Strecken voraussehbar. Mit dem Wind kann es umso weiter man ins Landesinnere vordringt nur besser werden. Zumindest dachte ich es hier noch, aber mehr im Laufe meiner Geschichte.
Auch wenn es in den letzten 2
Tagen nicht viel mehr als flaches Land, ewige Maisfelder und riesige Kuhweiden
zu sehen gab und rund um den Bauernhöfen Schweinegülle in der Nase lag,
faszinierte mich diese Weitläufigkeit und diese Ruhe auf dem Land. Vielleicht
ist es auch die Sehnsucht nach Ruhe, sind wir nicht alle ein Stück weit
Reizüberflutet, nach einer gewissen Zeit ohne Urlaub und Ruhe einfach gestresst
vom Alltag?
Daten:
160,45 km
7:55;54 h
D.-Geschw. 20,20 km/h
481HM
D.-Steig 1%
Max.-Steig 13%
Mit demselben Optimismus wie ich
ins Bett gegangen bin war ich an diesem Morgen aufgestanden und wieder gegen
7:00Uhr zum Frühstücken gegangen. Gegen 8:00Uhr sollte die Tour mit dem Ziel
“Rinteln“ weiter gehen. Meine Wade war wieder schmerzfrei, jedoch sollte es
ganz anders kommen als der Optimismus am Abend zuvor und am Morgen jemals
vermuten lassen sollte.
Der Kellner brachte mir noch
extra Käse, Wurst und Brötchen, die ich mir für die Fahrt belegen sollte und
packte mir zusätzlich 2 Eier ein die ich als Stärkung mitnehmen musste. Gut
gelaunt startete ich meine Tour und fuhr zunächst nach Bremen rein. Vorbei am
Hauptbahnhof, der ähnlich und riesig wie ein imposantes Schloss auf mich
wirkte.
Ein Stück weiter fiel mir ein
Schild ins Auge wie ich es noch nie in Deutschland, wenn überhaupt jemals
irgendwo gesehen habe. An einer nächsten roten Ampel wo ich stehen bleiben
musste, sprach ich einen Passanten an ob es nicht generell verboten sein Waffen
zu tragen und das ich solche Schilder noch nie zuvor gesehen hatte. Dieser
erklärte das “um die Ecke“ die Hells-Angels zuhause wären und es hier öfters
mal zu Auseinandersetzungen kommen würde, deshalb wäre das noch mal mit dieser
Beschilderung bekräftigt. Ok, wieder was gelernt und es ging mit demselben
Optimismus zufrieden weiter. Von dem Muskelkater im Oberkörper, von der schmerzenden
Wade war nichts mehr zu spüren.
Da ich Bremen nur durch die
“Bremer Stadtmusikanten“ und die Stadt selber noch gar nicht kannte, nahm ich
mir auch hier ein wenig Zeit und betrachtete mir die Innen- bzw. die Altstadt.
Wollte hier jedoch nicht so viel zeit wie in Hamburg verbringen und setzte meine Fahrt nach kurzem Aufenthalt fort. Der Weserradweg war schnell gefunden und die Beschilderung war zumindest in der Stadt in Ordnung. So konnte ich Bremen schnell hinter mir lassen und ich freute mich auf diesen unvorhersehbaren Tag.
Anfangs führte der Weg, wie im
Vorfeld im Internet beschrieben, an der Weser entlang und ich freute mich auf
einen schönen Abwechslungsreichen Tag. Die ersten 10-15km sollte es auch so
werden. Da mir auch hier wieder der Wind die volle Frontseite gab, wurde hier
schon klar das ich wieder gegen den Wind kämpfen werden müsse. Der Weg führte
mal kurzzeitig von der Weser weg um mal einen Campingplatz oder andere
Hindernisse zu umfahren, führte jedoch wieder in die Nähe vom Wasser und lies
stets einen Blick auf den Fluss zu.
Dies sollte sich jedoch
schlagartig ab da ändern, wo der Weserradweg komplett von dem Fluss weg führte
und sich durch das Wesertal südlich von Bremen schlängelte. So spulte ich
Kilometer für Kilometer kreuz und quer durch das Bremer Vorland ab, kämpfte
wieder gegen den Wind, aber entfernte mich keineswegs von Bremen. Neben dem
machte die Beschilderung ein regelrechtes Suchspiel nach dem richtigen Weg.
Schon sichtlich genervt, aber immer noch frohen Mutes drückte ich meine Kraft
im Kampf gegen den Wind in die Pedalen.
Immer und immer wieder war die
Beschilderung entweder zugewachsen, verbogen oder gar nicht mehr vorhanden, so
das man manchmal raten musste wo denn der Weg jetzt weiter gehen könnte. Hin
und wieder musste ich umdrehen weil ich mich für den falschen Weg entschieden
hatte und gar nichts mehr weiter gehen sollte. Also wieder zurück und den
nächsten Weg folgen.
Nachdem ich knapp 60km im
Zickzackkurs durch Feld, Weiden und Dörfer zurück gelegt hatte, kam ich an
einem Verkehrsschild mit der Aufschrift “Bremen 25km“ vorbei. Dies sollte das
erste Mal dazu beitragen die mentale Belastungsgrenze auszureizen. Ich kam
durch unzählige kleine Dörfer, aber immer diese, wo es kein Bäcker, Metzger
oder irgendeine Einkaufsmöglichkeit gab. Ich war froh die bereitgestellten
Brötchen im Rucksack zu haben. Aber die feste Nahrung füllte immer noch nicht
den Wasserhaushalt im Körper.
Nach weiteren unzähligen Kilometer
kam ich in einem Ort mit einer größeren Landstraße und an einer kleinen
Bäckerei vorbei. Hier konnte ich mich zunächst mit ausreichend Flüssigkeit
eindecken, entschloss mich den Weserradweg zu verlassen und mich wieder einmal
an den Landstraßen zu orientieren. Es war aufgrund der vorhandenen Radwege zwar
nicht so schlimm, jedoch zerrte der stetige starke Gegenwind und die sinnlos
vergeudeten Kilometer auf dem Zickzackkurs am Gemüt. Dazu kam, dass diese
ständige gleiche flache Landschaft mit Maisfelder, Kuhweiden und Schweinegülle
in der Luft keinerlei Abwechslung und damit keinerlei Ablenkung brachte.
Noch dazu kam das im stetigen
Kampf gegen den Wind das linke Knie schmerzte. Ich ging von einer normalen Überlastung
aus, es war zu sehen, dass das Knie langsam aber sicher anzuschwellen begann.
Durch die automatische Schonhaltung die man annimmt, beschwerte sich auch bald die Achillessehne.
So fuhr ich weiter von Dorf zu
Dorf, immer Richtung Süden und wurde wütender und wütender und fragte mich was
ich hier überhaupt mache. Ich begann diese scheinbar sinnlose Idee dieser Tour
zu verfluchen, trat aber immer und immer weiter in die Pedale um ans Ziel zu
kommen.
Hab ich mich jetzt verirrt? Husum???
Irgendwann kam ich an einer
bekannten Drogerie-Kette vorbei. Da es weit und breit entweder keine oder eine
geschlossene Apotheke zu sehen gab, holte ich mir das altbewerte Pferdebalsam
und hoffte nach Eigenbehandlung auf Linderung der Schmerzen.
Ein Stück weiter machte mich ein
wohl völligst verblödeter alter Mann rasend.
Da die außerhalb der Ortschaften
separaten Fahrradwege innerhalb der Ortschaften über meist gepflasterten und
holprigen Gehsteige führten, befuhr ich mit meinen 6Bar gefüllten Reifen die
normalen Straßen. Irgendwann überholte mich dieser alte Mann haarscharf mit
seinem Auto. Es war offensichtlich, dass dieser mit Absicht bereits während dem
Überholvorgang rüberzog und mir den Weg abschneiden wollte.
Da dieser Vorgang an meinen
ohnehin blanken Nerven nagte, zeigte ich ihm den Vogel. Was diesen alten Herren
wohl so sehr beeindruckt haben musste, das es ihm den Anlass gab eine
Vollbremsung hinzulegen. Seine
Beifahrerin, wohl seine Frau, öffnete die Tür ein Spalt, der Alte, ich nenn ihn
jetzt mal Sack, schrie wie ein Irrer aus dem Auto raus. Ich schob mein Fahrrad
bis auf Türhöhe um die Konversation zu suchen. Diese wurde jedoch sofort
zugeschlagen und der alte Sack schrie mit drohender Haltung im Auto weiter.
Also stieg ich mit dem Gedanken weiter zu kommen wieder auf mein Fahrrad und
wollte diese Art Aufregung gar nicht über mich ergehen lassen. Nachdem der alte
Sack mich mit kuriosen Bremsmanövern erfolglos zu provozieren versuchte, nahm
er wohl auch seinen eigentlichen Weg wieder auf und verschwand.
Hier möchte ich dann nochmals
erwähnen, dass ich bereits an diesem dritten Tag immer wieder sture,
egoistische und resignierte Menschen begegnet bin. Manche hat man freundlich
angesprochen und nach dem Weg gefragt, die einen einfach links liegen lassen
haben und weiter gegangen sind. Andere kommen einem auf einem nahezu leeren
Fahrradweg entgegen, wenn man einfach nur grüßt wird weg oder starr geradeaus
geschaut. Wenn das der Wandel der Gesellschaft ist, wo soll es dann mal hin
führen?
So kurbelte ich mich von
Kilometer zu Kilometer und fragte mich immer wieder warum man sich das
überhaupt selber zumutet. Warum man sich in seinem Urlaub auch noch schinden
muss. Anstatt das in unzähligen Berichten erwähnte Freiheitsgefühl kam ganz und
gar nicht auf, eher das Gefühl der Einsamkeit.
Eins war trotz alledem in meinem
Hinterkopf, und zwar das Aufgeben nicht zu meiner Lebenseinstellung gehört. Ich
suchte immer die Fehler bei dem verfluchten dritten Tag wo immer mal was zwickt
und nicht ganz so rund läuft.
So sollte ich an diesem Tag das
erste Mal nicht mein Etappenziel “Rinteln“ erreichen und war nach rund 7Std und
165km mit Porta-Westfalica, froh überhaupt so weit gekommen zu sein, zufrieden.
Blick auf das Kaiser-Wilhelm-Denkmal
Das Wetter meinte es trotz den
Strapazen auch am dritten Tag wieder gut mit mir und ich kam trocken bei
angenehmen Temperaturen über die Tour. Zu guter letzt fand ich eine nette
Jugendherberge, bisschen abseits und mitten im Wald, wo ich bei einem
gemütlichen Bier meine mentale Kraft wieder auftanken konnte.
Daten:
165,43 km
7:10;08 h
D.-Geschw. 23,00 km/h
259HM
D.-Steig 2%
Max.-Steig 9%
Tag 4 Porta
Westfalica à Bad Arolsen (Twistesee)
Nach einer lauten, über mir die
Mitbewohner meinten nachts im Zimmer Fußball spielen zu müssen, und unruhigen
Nacht wurde ich morgens wach und hörte es wie es draußen regnete.
Trotz alledem wachte ich etwas
erholt auf und ging mit neuem Enthusiasmus zum Frühstück. Der Regen ging in ein
Nieselregen über. Ich packte meinen Rucksack in den Regensack und startete
meine Tour mit dem Ziel Korbach. Bereits nach wenigen hundert Metern hörte es
ganz und gar auf zu regnen und ich konnte meine Tour im trockenen und 28°C
Tagestemperatur fortsetzen.
Direkt zum Start der Tour sollte
es erst mal bergauf gehen. Landschaftlich war es mit dichtem Buchenwald schon
mal eine willkommene Abwechslung. Nach dem ersten Kilometer sollte es nach einem
flacheren Stück weiter bergauf gehen und jetzt wurde mir klar, dass das flache
Gelände vorerst mal hinter mir liegen würde. Knackige Steigungen und schnelle
Bergabfahrten waren teil der ersten Kilometer.
In Eisbergen musste ich über eine
Brücke um die Weser zu überqueren, hier schaute ich einen Augenblick das rege
treiben der Kanufahrer/innen zu.
Zieht dieser Kanufahrer etwa den Kahn?
So ging es hügelig weiter Richtung Extertal. Ab da sollten mehrere kilometerlange Steigungen um die 1-2% und weiterhin kräftiger Gegenwind an der Kraft saugen. Aber mental und muskulös gestärkt konnte mir diese Prozedur nix anhaben und ich kurbelte mich zunächst Steigung für Steigung in Richtung Blomberg, weiter nach Warburg, von dort aus weiter nach Volksmarsen mit dem Endziel Korbach. In Volksmarsen plante ich noch eine kleine Rast, diese Rast wurde durch eine Gruppe ältere Personen zu einer ungeplanten längeren Pause, da wir ins Gespräch kamen und sie ihre Begeisterung für meiner Tour mit hunderten von Tipps in Tourenvorschläge und Übernachtungsmöglichkeiten rund um den Edersee kund tun wollten.
In Wetterburg sollte mich den
bereits von Volksmarsen aus beobachtete Wetterumschwung nicht wirklich
überraschen und es begann zu regnen. Da es dem Himmel nach zu schätzen keine
Besserung mehr geben sollte, gab ich für diesen Tag auf und steuerte die erste
Pension an.
Diese entwickelte sich auch zu
einem Glücksgriff, wo ich relativ günstig schlafen und sehr gut essen konnte.
Im Verlauf des Abendessens betrat
ein Mann in einer altertümlichen Uniform, nein ich muss mich nach seiner
Aussage berichtigen, in einem “Gewand“, originalgetreu aus dem dreißigjährigen
Krieg, das Gasthaus. Da sich seine Gespräche interessant anhörten, suchte ich
nach dem Essen ein Platz an der Theke
und kam so ganz schnell ins Gespräch mit ihm.
Der Wirt nannte ihn immer beim Spitznamen, dieser ist mir leider entfallen. Jedenfalls kam der nette Herr einmal als LKW-Fahrer berufsbedingt viel durch die Welt, lebte aber auch mehrere Jahre im Ausland. So kam es neben ein paar Bierchen zu einem langen und konstruktivem Gespräch.
Die störte den Wirt wohl
dermaßen, dass er immer und immer wieder nervende und für meinen
Gesprächspartner eher provokante Einwände in das Gespräch werfen musste. Da wir
uns daran nicht weiter stören lassen wollten und den Wirt mehr oder weniger
ignorierten, schloss dieser kurzerhand das Lokal und stoppte so die
Konversation.
Was einerseits sehr schade, aber
vielleicht auch für die anstehende Weiterfahrt besser sein sollte.
Ich denke aber auch, dass es
vielleicht einfach ein Zeichen des Neides oder der Missgunst war. Warum muss
man ein Gespräch so lange stören und dann gar abbrechen, weil man vielleicht
selber nichts erlebt hat und nichts Konstruktives beitragen kann? Weil man
einfach zu dumm ist und sich nicht einzubringen weiß?
Irgendwie um diesen Regenguss
froh, war ich nach einer guten Unterhaltung zufrieden ins Bett gegangen. Außerdem
hatte ich einen abwechslungsreichen Tag hinter mir und hatte schließlich nur
noch 15km bis zu dem eigentlichen Tagesziel Korbach.
Daten:
140,33 km
6:04;55 h
D.-Geschw. 23,10 km/h
918HM
D.-Steig 2%
Max.-Steig 10%
Tag 5 Bad
Arolsen à Battenberg Dodenau
Da ich in Hatzfeld zum Essen
eingeladen war, sollte es heute nur einen kurzen Trip geben.
Meines Erachtens wäre der Trip
jedoch so kurz geworden das ich vormittags schon in Dodenau im empfohlenen
Hotel angekommen würde.
Also entschloss ich mich einen
Umweg um den Edersee in Kauf zu nehmen. So machte ich mich nach einem guten
Frühstück, bei zwar bewölktem Himmel, aber trockenem Wetter erst mal runter an den
Twistesee.
Twistesee
Mit frisch gewaschenen und
geölten Bike machte ich mich auf einer alten Bahntrasse Richtung Edersee. Da
die Bahntrasse nicht direkt zum Edersee führt, musste ich nach einigen
Kilometern abbiegen und einen ausgewiesenen Radweg zum begehrten See fahren. Da
ich aus der Richtung Ederquelle zum See kam, wurde gleich sichtbar wie leer der
see wirklich war. Aus Rundfunk und Medien war bereits bekannt das der Edersee
aus verschiedenen Gründen kaum Wasser habe, aber das der See so leer gelassen
war das man erst mal Kilometerweit nur ein ausgetrocknetes Seebett sah, war mir
nicht bewusst.
Nachdem ich den See auf der Seite des Schloss Waldeck bis zur Staumauer umrundet hatte, setzte ich mich in die Sonne, genoss die Wärme, einen Kaffee und eine lecker Curry-Wurst. Nach einer Stunde Pause machte ich mich auf der gegenüberliegenden Seite auf Wald- und Wanderwegen am Seeufer entlang Richtung Ederkopf nach Dodenau.
Ich freute mich auf das Wiedersehen mit meiner Bekannten und ihrer Kleinen und war gespannt was mich an diesem Abend erwarten wird. Da ich wieder die Richtung gewechselt hatte, musste ich zumindest außerhalb des Waldes gegen den Wind ankämpfen. Mit dem Wetter hat es Petrus bisher ja wirklich gut gemeint, aber den Wind hat er seit Beginn der Tour nicht einmal abgestellt so das ich durchgehend gegen den Wind ankommen musste.
Schon seit Beginn der Tagesetappe
freute ich mich über das abwechslungsreiche Hessenland und es machte wieder
richtig Freude mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Das flache Land im Norden war
mit seinen Maisfelder, Rinder- und Kuhweiden und Schweinegülle in der Luft nicht
so spannend und förderte gerade an dem dritten Tag die sogenannte Bike -
Depression, die gerade bei Einzelfahrern und langweiliger Landschaft, dazu noch
der zermürbende Gegenwind auftreten kann.
Aber so sollte es an diesem Tag
nicht sein und gutgelaunt umradelte ich den restlichen Edersee zum Fluss Eder.
An dem Fluss ging ein richtig schöner, mit Schotter, Wald- und Wanderwegen ein
abwechslungsreicher Radweg entlang. Hier beschloss ich schon, das als nächstes
den ausgewiesenen Ederradweg in meine Zukunftsplanung aufnehme, und wenn es ein
paar schöne Herbsttage geben sollte umsetzen möchte.
In Frankenberg angekommen, sah ich das einige schwarze Wolken aufzogen, es war aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht so klar, ob ich diese Wolken und den mitgebrachten Regen abbekommen sollte. Da ich gut in der Zeit lag Lust auf einen Kaffee hatte, steuerte ich eine Tankstelle an. Ich hatte gerade einen Kaffee gekauft und füllte meine Wasserflaschen, da öffneten sich diese Wolken und ließen für die nächste viertel Stunde scheinbar alles Wasser was sie gespeichert hatten auf einmal regnen.
Ich hatte den Kaffee noch nicht
ganz geleert, da lachte die Sonne schon wieder vom Himmel. Nach einem
Augenblick, als das Wasser nicht mehr auf den Straßen stand, machte ich mich
zurück auf den Radweg und auf Richtung Hatzfeld/Dodenau.
Die restliche Tour verlief
trocken und ohne unerwarteten Vorfälle und ich kam gegen 17:00Uhr zur geplanten
Zeit in Dodenau an. Das Hotel war schnell gefunden, das Fahrrad von der
Besitzerin sicher verstaut und ich sprang erwartungsvoll und gespannt unter die
Dusche.
Kurz darauf kam Patricia mit
Ihrer Tochter Leonie um mich abzuholen. So verbrachten wir drei einen schönen,
lustigen und bezaubernden Abend. Leider ging der Abend viel zu schnell vorüber,
aber ich genoss nach den 5 Tagen die vertraute Gesellschaft und spielte mit dem
Gedanken doch ein Tag länger bleiben zu können.
Nachdem mich Patricia am späteren
Abend zurück zum Hotel brachte, sah ich durch das Fenster das noch mehrere
Personen in der Gaststube saßen. Also entschloss ich mich zur Feier des Tages
mir noch ein oder zwei Bierchen zu gönnen. Hier hätte ich mir den Verlauf des
weiteren Abends bzw. der Nacht nicht erträumen wollen.
Mit der Gruppe kam ich schnell
ins Gespräch. Es handelte sich um eine 8 Mann starke Gruppe aus Bottrop die
sich aus dem Sportverein kannten. Der jüngste von Mitte 30 bis zum ältesten mit
stolzen 85 Jahre sollten mehrere Generationen vertreten sein.
So wurde die eine und andere
Runde ausgegeben und eine lustige und vergnügte Gesellschaft rundete den
ohnehin sehr schönen Abend ab. Ehe ich mich versah schlug es 4 Uhr in der Früh
und der übermäßige Alkoholkonsum machte sich auch bemerkbar. So stolperte ich
in mein Bett und ärgerte mich fast das ich es mit dem Alkohol übertrieben
hatte, entschuldigte es aber auch da dieser Abend durch Patricia und Leonie
ohnehin ein besonderer Abend war. Außerdem wird die lustige Gesellschaft mit
dem Bottroper Trupp in dieser Konstellation nicht mehr zusammen kommen wird.
Neben dem könnte ich ja auch mal ein oder zwei stunden später starten.
Daten:
132,78 km
6:11;28 h
D.-Geschw. 21,40 km/h
747 HM
D.-Steig 2%
Max.-Steig 13%
Tag 6 Battenberg
Dodenau à Wiebaden
Meine Augen öffneten sich mit
schweren Lidern gegen 8:00Uhr, mein Kopf, mir war schlecht, ich musste mich
erst mal sammeln. Man was war ich verkatert. Ich schleppte mich ans
Waschbecken, wusch mir das Gesicht mit kaltem Wasser und stellte fest das ich
genauso schlecht aussah wie ich mich fühlte.
Trotz allem gab es heute ein Ziel
à
Bad Camberg
Ich packte mein Rucksack und ging
zum Frühstück, ein Teil von der Bottroper Truppe saß schon am Tisch. Sie
wunderten sich da sie dachten ich wäre schon über alle Berge. Wir tauschten uns
noch kurz aus, ich schob mir 2 Brötchen rein, die Cornflakes mussten leider
stehen bleiben, die gingen nicht mehr in mich rein.
Also verabschiedete ich mich und
machte mich auf den Weg. Schon nach kurzer Zeit an der frischen Luft
verschwanden die Kopfweh und ich fühlte mich nicht mehr gar so verkatert.
Als erstes ging es auf der
Landstraße parallel zur Eder nach Hatzfeld. Kurz vor Hatzfeld links ab in den
Wald. Ich schaute den Wald hoch und sah schon was mich erwarten würde, ein
schöner nicht einzuschätzender Berg, nicht einzuschätzen wie lang und wie steil
er sein wird. Er sollte verdammt lang und stellenweise verdammt steil werden.
Als ich oben angekommen war sollte von dem Kater nichts mehr zu spüren sein.
Ich meisterte die erste Herausforderung besser als gedacht, oben angekommen, warnte ein Schild auf die Abfahrt mit 18% Gefälle. Aber auch die rasante Abfahrt wurde gemeistert und ich kam heil am Fuß des Berges an und verließ den Wald. Erst hier merkte ich wie windig es auch an diesem Tag sein sollte, und nein, die Windrichtung war immer noch die gleiche und ich bekam wieder die volle Breitseite ab.
Also kurbelte ich mich über
Wallau nach Dillenburg, trotz Wind und weitaus bergigerem Gelände kam ich gut
voran. Im inneren merkte ich jedoch die Heimatnähe und die Gedanken gingen hin
und wieder Richtung Sofa, abzubiegen und nach hause zu radeln wäre jetzt das
einfachste. 1,5 – 2 Std, dann könnte ich zuhause sein. Aber NEIN, ich habe ja
ein ziel, und das sollte an diesem Tag Bad Camberg, und am Ende der Reise
Zürich sein.
Also ging es weiter und weiter
Richtung Süden, Anstiege nach oben, Abfahrten wieder nach unten. Hier war
deutlich zu merken das ich ein guten Tritt bekommen habe und mich an die Tour
gewöhnt und mit der Tour mental arrangiert habe.
Nach 60km Prozedur mit Steigungen
bis 10% und dem verdammten Gegenwind der einem die Kraft wie Pudding aus den
Beinen zieht, kam ich in Dillenburg an. Da mein Magen knurrte und sich leer
anfühlte, entschloss ich mich hier eine kurze Mittagspause zu verbringen.
Nach der Pause folgte ich weiter
dem Radweg R8 über Driedorf, Mengerskirchen und Hadamar nach Limburg, hier lief
der Radweg überwiegend parallel oder gar auf der Landstraße entlang.
Durch den oben abgebildeten Torbogen in Limburg angekommen, nahm ich mir vor mich nicht lange aufzuhalten und folgte dem Radweg durch die Innenstadt weiter nach Bad Camberg. Es lief an dem Tag, trotz der vorangegangenen Prozeduren, unerwartet gut und es machte wie am Tag zuvor riesen Spaß durch die abwechslungsreiche Landschaft zu radeln. So kam ich weit aus früher in Bad Camberg an.
Da sich die nächste
Jugendherberge in Wiesbaden befand, ich viel früher als erwartet in Bad Camberg
angekommen und mich noch fit genug für weitere 30-40km fühlte, entschloss ich
mich nach einer Pause noch die Etappe bis Wiesbaden auf mich zu nehmen.
Also hielt ich mich, mit Blick
auf dem großen Feldberg, zunächst auf dem Radweg über Idstein nach Eppstein. In
Eppstein fragte ich nach dem besten und schnellsten Weg nach Wiesbaden.
Hier sollte die größte
Herausforderung des Tages auf mich warten. Ich wurde auf der Bundesstraße über
die “Platte“ nach Wiesbaden geschickt. Die ersten Steigungen waren noch gut zu
bewältigen, aber da der Berg kein Ende nehmen wollte, der Wind immer noch voll
ins Gesicht blies und es immer später wurde, fing ich das erste mal seit 2
Tagen vor mich hin zu fluchen. Da der Verkehr auf der Bundesstraße zunahm,
entschloss ich mich auf ein Waldweg auszuweichen. Dieser entwickelte sich auf
der anderen Seite vom Berg zu einer kilometerlangen rasanten Abfahrt auf einer
Schotterpiste.
Verkaterter Start, quälende
Abschnitte und dieser miese Gegenwind, wer hätte es da gedacht das ich an
diesem Tag einen neuen Etappenrekord raus fahren sollte? Anstatt Bad Camberg
nach rund 185km und 8:45h und knapp 2000HM mit einem weiterem regenfreiem Tag in
Wiesbaden gelandet. Noch dazu war die Jugendherberge in einen ganz modernem
Standart. Nachdem ich mein Bike sicher unterbrachte und mein Zimmer bezog,
sollte nach dem alltäglichen Ablauf mit Trikot waschen etc nicht mehr alt
werden und schlief zufrieden tief und fest ein.
184,34 km
8:45;39 h
D.-Geschw. 21,00 km/h
1997 HM
D.-Steig 3%
Max.-Steig 18%
Tag 7 Wiesbaden
à Karlsruhe Etappenrekord!
Gut erholt und ausgeschlafen
stand ich an diesem Morgen in der schönen Jugendherberge auf.
Während des Frühstücks
beobachtete ich eine relativ junge Lehrerin, die sich mit einem Teil ihrer
Schulklasse an dem Tisch gegenüber befand. Weil ein Teil ihrer Schützlinge sich
wohl nicht an die Regeln gehalten hatten und nachts im Haus unterwegs waren,
tat sie sehr übertrieben beleidigt. Ich verfolgte amüsiert die verschiedenen
Gespräche und musste immer wieder grinsen wenn sie sagte das niemand an diesem
Tag etwas besonderes erwarten dürfe da sie sich nicht benommen hätten. Da sie
schon ansehnlich und hübsch war, wirkte Sie arrogant und von sich eingenommen.
Selbst der Kollege, der noch versuchte auf sie
einzureden das diese “Streiche“ sicherlich auch von ihr gemacht wurden
und sie es nicht so eng sehen möchte, konnte Sie nicht beruhigen.
Nach dem Frühstück machte ich
mich alsbald auf den Weg. Ein bestimmtes Tagesziel hatte ich mir nicht für
diesen Tag gesetzt, da ich nicht einschätzen konnte ob der Rheintalweg genauso
ein Reinfall wie der Weserradweg geben sollte. Ich schnitt noch mal die
Wiesbadener Innenstadt an, hielt mich an den Bahnhof und radelte Richtung Mainz
und so zum Rhein.
Wiesbaden
Wie immer stellte sich die
Beschilderung in den Städten kompliziert dar, aber am Rhein entlang konnte man
sich ja nicht wirklich verfahren. Nach dem Vortag mit knapp 2000HM sollte das
flache Rheintal ohne bemerkenswerte Höhenmeter richtig gut laufen und ich
konnte mir eine gute Durchschnittsgeschwindigkeit herausfahren. So ging es an
Groß Gerau / Trebur vorbei nach Mannheim.
Ab Mannheim war die Beschilderung
dann wieder eine Katastrophe. Hier kann man die hessischen Radwegplaner doch
loben!
Da sich der Radweg hinter
Mannheim teilt und man sowohl über Heidelberg als auch über Heppenheim fahren
kann, wählte ich die Landschaftlich abwechslungsreichere Variante über
Heidelberg. Diese Entscheidung sollte sich jedoch zu einem Fiasko entwickeln.
Plötzlich waren nur noch etliche Radwege beschildert, nur der eigentliche
Rheintalweg war weg! Keine Beschilderung mehr weit und breit!
Da blieb mir wieder mal nichts
anderes übrig als mich an größere Ortschaften zu halten und richtete mich
zunächst an Walldorf und von dort aus zurück an den Rhein. Da mir die
Schildersuche auf die Nerven ging, hielt ich mich nur noch an den Rhein und
radelte entweder auf oder an den Hochwasserschutzdämmen entlang. Da mir wieder
mal der Gegenwind das Leben schwer machen wollte, hielt ich mich die meiste
Zeit unterhalb der Dämme auf, um in deren Windschatten fahren zu können. Der
Rhein schlängelt sich zwar mehr als der eigentliche Radweg, aber diese Umwege
habe ich hier gerne in den Kauf genommen.
Damit die Fahrt nicht all zu
langweilig und langwierig scheint, setzte ich mit einer alten Fähre mit einem
ganz simplen Kettenantrieb, auf die andere Seite des Ufers um dort einige
Kilometer runterzuspulen. Später fuhr ich über eine Brücke zurück auf die
richtige Seite. Bei knapp 30°C und leicht bedeckten Himmel kam die große
Überraschung. Tagesziel wurde mit einem neuen Etappenrekord nach rund 9 Stunden
und 217km Karlsruhe.
Nach einer ca. 10km langen schnur
stracken Piste durch den Wald, war die Jugendherberge in Karlsruhe schnell
gefunden. Sie war im Gegensatz zu der Wiesbadener Herberge eher schlicht. Hier
sollte ich zum ersten Mal in einem 4-Bett-Zimmer nächtigen. Da ich gegen
20:30Uhr alles geregelt und mein getragenes Trikot in der Waschmaschine hatte, fand
ich es schon merkwürdig das meine drei Zimmerkollegen bereits im Bett lagen. Einer
stellte sich als Sebastian vor, machte ein Praktikum in Karlsruhe, lag jedoch
nur so früh im Bett um zu Chatten. Die anderen beiden, Vater und Sohn, kamen
aus Belgien und fuhren ebenfalls mit dem Fahrrad den kompletten Rhein vom
Ursprung Richtung Nordsee ab. Sie teilten mit das sie täglich um die 100km
fahren und sich danach eine Unterkunft suchen würden.
Neben dem wurde der Fahrradkeller
erst ab 23:00Uhr verschlossen, erst nach mehrmaligen drängen machte der Herbergsvater
den Keller früher zu. Da die Jugendherberge in einer dunklen Ecke und
offensichtlich nicht nur von in der Herberge untergebrachte Jugendliche um das
Gebäude aufhielten, kam mir der unverschlossene Stellplatz alles andere als
sicher vor.
Nachdem meine Wäsche halbwegs
trocken aus dem Trockner kam ging ich ebenfalls zu Bett, was blieb mir auch
anderes übrig, die beiden schliefen schon und der andere tippte unaufhörlich
auf seiner Tastatur.
Daten:
217,12 km
9:16;37 h
D.-Geschw. 23,40 km/h
435 HM
D.-Steig 1%
Max.-Steig 7%
Tag 8 Karlsruhe
à Lahr / Schwarzwald à Villingen Schwenningen
Gegen 4:00Uhr wurde ich schon
wieder wach, so wach, dass ich hätte meine Tour fortsetzen können. So drehte
ich mich bis 7:00Uhr von einer Seite auf die andere und wir standen gemeinsam
auf.
Sebastian traf ich beim Frühstück
wieder und wir unterhielten uns gut und lange, länger als geplant und ich
startete meinen neuen Tag später als gedacht. Was aber nicht weiter schlimm
sein sollte. Es kam so und so ganz anders als vermutet.
Es ging wieder zurück an den
Rhein und immer weiter Richtung Süden. Aber was sollte an diesem Tag immer
weiter heißen? Es dauerte nicht lange da kamen wieder die ersten Industriegebiete,
ab hier sollte sie nun ständig kommen und ich musste immer und immer wieder
Umwege in kauf nehmen um sie zu umfahren. Der Gegenwind begrüßte mich ebenfalls
schon nach den ersten Metern.
Nicht schon wieder dieser
Gegenwind! Körperlich war ich in einer sehr guten Verfassung, Knie uns
Achillessehne schmerzten nur noch sporadisch, Kraft war auch genügend da. Aber
dieser ständige Kampf gegen den Wind saugte am Gemüt und saugte einem mental
aus.
Dazu kam diese stets
gleichbleibende Landschaft, zur rechten Hand der Hochwasserschutz, zur linke
Hand Mais, Feld und Wiese, ab und an Hecken und paar Bäume und alle paar
Kilometer das nächste Industriegebiet welches umfahren werden wollte.
Um Abwechslung in die Fahrt, die
langsam der Langeweile und Einsamkeit zum Opfer fallen sollte, zu bringen,
nutzte ich die nächste Fähre um französischen Boden unter die Räder zu
bekommen. Wenigstens ein neuer Gedanke, etwas Neues für den Kopf und für das Gemüt.
Dies sollte zumindest für die ersten Kilometer etwas gut tun.
Beweisfoto France
Die Industriegebiete wie auf der deutschen Seite war ich los, hin und wieder kam mal eine Sandgrube und eine Verladeanlage, aber nicht groß zu umfahren, sondern meist nur mal unter den Förderanlagen durch wo die Schiffe mit beladen wurden.
Aber was war dazwischen? Nix, absolut gar nix, es waren Abschnitte über viele Kilometer dabei wo man keine Menschenseele gesehen hat. Ein super asphaltierter Radweg, mitten zwischen Hochwasserschutz, Bäume, Sträucher, Wiesen und Felder. Durch die ausbleibenden Industriegebiete war es noch weniger Abwechslungsreich als auf deutscher Seite. Ich war Einsam, kein Mensch zusehen, alleine im Kampf gegen den Wind, niemand der das Leid mit einem teilen wollte.
Mitten im Nix kam ein kleiner
Campingplatz und eine Fährstation die außer Betrieb war. Da an dem Campingplatz
ein kleiner Imbisswagen stand an dem gerade ein kleiner dicker Mann Tische und
Stühle aufbaute, entschloss ich mich erst mal ein Kaffee zu trinken und eine
Kleinigkeit zu essen. Als ich an dem Imbisswagen ankam, entwickelte sich dieser
als sehr schmuddelig und ich beschränkte die Pause auf eine Kaffeepause, der
Mann, ebenfalls etwas schmuddelig gab sich nicht besonders freundlich nachdem
er bemerkte das ich deutscher war.
Rhein mit Blick auf den Schwarzwald
Da es ja nicht die Möglichkeit
gab an das andere Ufer zu gelangen, blieb mir nichts anderes übrig als weiter
zu radeln. Die Kilometer sollten sich ziehen, ein Blick auf die Uhr, ein Blick
auf den Tacho, wieder nicht weiter gekommen, alles scheint zu stehen. Ich
kurbelte und kurbelte gegen den als mittlerweile als Erzfeind angesehenen Wind an und vom Gefühl stand ich still.
Irgendwann sollte eine Fähre
erreicht werden, mit der Hoffnung andere Gedanken in den Kopf zu bekommen wechselte
ich zurück auf deutsche Seite. Aber auch hier sollte es nicht mehr gelingen,
der Tag war nicht mehr zu retten.
Französicher Boden
Deutscher
Boden
Ich schaute mir die Landkarte an
und suchte nach Alternativrouten. Überlegte über Freiburg zu fahren, nur eins
war klar, dann erwarten mich Höhenmeter. Mir kam Villingen-Schwenningen in den
Blick, das würde ein riesen Umweg mit ebenfalls vielen Höhenmeter bedeuten.
Also könnte ich genauso nach Basel weiter fahren, aber nein, um an den Rhein
weiter zu fahren hatte ich keine Nerven mehr. Der Rhein, den ich dank dem
Hochwasserschutz selten gesehen hatte, hat mich mental ausgesaugt. Ich wollte
mein Ziel erreichen und ich zweifelte nicht daran in Zürich anzukommen, aber
ich wollte keinen Meter mehr an dem Rhein entlang, zumindest solange sich nicht
die Landschaft ändert die mit ihrer Langeweile ein Teil dazu beigetragen hat.
Nachdem ich durch die Innenstadt
von Kehl fuhr, überlegte ich mir zunächst etwas aus dem Rheintal zu fahren.
Einfach um eine Landschaft mit mehr Abwechslung zu erleben. So kam ich neben
kleineren Ortschaften durch Offenburg und Friesenheim nach Lahr / Schwarzwald.
Kirche in Kehl
Aber für diesen Tag war ich nicht
mehr zu motivieren und ich schaute wieder nach Alternativrouten. Obwohl es mir
zunächst schwer fiel, ich entschloss mich 100km nach Basel mit dem Zug zu
überbrücken. Auch wenn aufgeben nicht zu meinem Lebensmotto gehört. Ein Aufgeben
war es ja in dem Sinn nicht, dafür hatte ich ja schon mehrere freiwillige und
unfreiwillige Umwege in Kauf genommen und die Kilometerleistung von einem
direktem weg ist auch schon erfüllt. Man versuchte sich die Situation schön zu
reden.
Am Bahnhof angekommen schilderte
ich dem Bahnbediensteten meine Geschichte und das ich 100km überbrücken möchte,
alternativ aber auch Villingen-Schwenningen schon mal anvisiert hatte. Sein
Tipp war ganz klar Villingen, neben dem teilte er mit, dass in Basel eine Messe
lief und es ohnehin schwierig sein sollte ein Zimmer zu bekommen, und wenn zu
unbezahlbaren Preisen. Ich schaute mir noch mal die Karte an und entschied mich
ohne weiter lange zu überlegen für Villingen. Dazu kam das es in Villingen eine
Jugendherberge gab, in Basel und Umgebung eben keine. Nach einem netten
Gespräch suchte mir der Bahnbedienstete eine günstigste und trotzdem relativ
schnelle Verbindung raus. Als ich auf dem Weg zum Bahnsteig war öffnete er noch
mal das Fenster um mein Bike zu begutachten und fragte wie viel Pannen, vor
allem Platten ich bisher gehabt hätte. Ich konnte ihm stolz eine Pannefreie
Tour bieten. Er fragte mich noch über die Bereifung aus und verabschiedete mich
mit den besten Wünschen.
Das Höhenmeter auf mich zu kommen
würden war mir egal und freute mich auf eine neuen Abschnitt vor allem, auf ein
Abschnitt mit einer abwechslungsreicheren Landschaft.
Rund 2 Stunden später und nach
Einbruch der Dunkelheit kam ich in der Jugendherberge an. Platz hatten sie noch
genug und so war ein Einzelzimmer ganz weit oben unter dem Dach gesichert. Die
Jugendherberge war durch verschiedene Bauabschnitte irgendwie verwinkelt und
die Besitzer machten auch einen merkwürdigen Eindruck. Durch die Verwinkelte
Bauweise, der Lage am Stadtrand und irgendwie das Gesamtbild ließen irgendwie
auf ein Spukschloss schließen und machte einen ganz merkwürdigen Eindruck auf
mich.
Als ich mein Trikot in die
Waschmaschine stopfte und mir die Füße vertrat, sprach mich ein junger Kerl an
und fragte ob ich auch mit dem Fahrrad unterwegs wäre. Er erzählte das sie zu
zweit eine Tour durch den Schwarzwald
machen würden, das nächste und letzte Ziel wäre der Titisee. So Fachsimpelten
wir einen Augenblick, dann kam sein Kollege hinzu. So schilderte jeder seine
Erfahrungen und die aktuelle Tour.
Nachdem die Waschmaschine
durchgelaufen war verabredeten wir uns zum Frühstücken und ich erklomm die
Treppe nach oben unter das Dach.
Tagesbericht bei FB:
Heute ging es in Karlsruhe los weiter Richtung Süden dem
Rhein entlang! Gegenwind, kein Ende in Sicht, Gegenwind, lange einsame
Piste, Gegenwind, Langeweile. Wind und die Nase voll. Ufer gewechselt nach
Frankreich, keine Besserung und Wind, ich hatte die Nase so was von voll!
Also Zug nach Villingen-Schwenn. Und von dort nach Zürich :-) sind doch
flexi :-)
|
Jugendherberge Villingen-Schwenningen
Tag 9 Villingen à Schaffhausen à Zürich
Nach einer erholsamen Nacht und
dem morgendlichen Ritual wie Rucksack packen ging ich frohen Mutes zum
Frühstück. Wir aßen zusammen und unterhielten uns neben dem gemeinsamen Hobby
über alle möglichen Themen.
9:00Uhr hatte ich mir als
Startzeit gesetzt.
So ging es zwar etwas verspätet
los, aber ich bin gut gelaunt durch Villingen gefahren. Als ich in der Stadt
auf meiner Karte nach der richtigen Richtung schaute, sprach mich eine Frau mit
2 kleinen Kindern an und fragte ob sie mir weiterhelfen könnte. Nachdem ich den
Kindern einige neugierige Fragen beantwortet hatte, erklärte sie mir den Weg.
So fand ich schnell den richtigen Radweg und kam schnell aus Villingen raus.
Tor zur Innenstadt von Villingen
Wie es zu erwarten war, ließen
die ersten Höhenmeter nicht lange auf sich warten. Doch genoss ich ab dem
ersten Moment an jede Abwechslung, jeden Berg, jede Abfahrt, einfach jede
Veränderung die sich mir bot. So kurbelte ich mich kleinere und größere
Anstiege hinauf, rollte Abfahrten hinunter und freute mich auf das Ziel
Schaffhausen. Schaffhausen sollte für diesen Tag Etappenziel sein.
Diesmal ohne Gegenwind, kam es mir vor als wolle Petrus die Strapazen wieder gut machen. Rund um mich herum war der Himmel bedeckt und mit teils schwarzen Regenwolken bestückt, aber ich fuhr immer unter, einer Insel ähnlich, blauem Himmel. Mit jedem Kilometer stieg meine Euphorie und es machte sich viel stärker als bisher ein Gefühl von Freiheit in mir breit.
So lies die nächste
Kilometerlange Steigung nicht lange auf sich warten und ich stieg aus dem
Sattel und kurbelte mich diese Herausforderung “Zollstraße“ mit teils 10%
Steigung nach oben.
1/3 der Steigung geschafft…
Der Rest bis zur Grenze
Auch dieser Berg war problemlos
zu bewältigen.
Es lief gut an diesem Tag, es war
nichts mehr zu spüren von dem mentalen Loch am Vortag. Was die Abwechslung
ausmacht, ich hätte mir es niemals träumen lassen. Das nicht jeder Tag ein
rosiger Tag sein würde wusste ich vorher. Doch das ich auf dieser Tour erleben
sollte wie es ist an die mentale Grenze zu gelangen, das hab ich nicht gewusst.
Im Nachhinein war es das aber Wert auch diese Erfahrung zu durchleben.
So kam ich auf dem Bergkamm an
und passierte zunächst die deutsche, dann die schweizer Zollstation, um dann
wieder dem Berg hinunter nach Beggingen zu rollen.
In Beggingen suchte ich zunächst ein Schild welches die Richtung nach Schaffhausen anzeigen sollte, da keins zu finden war suchte ich nach einem Menschen den ich danach fragen konnte. Da es gerade Mittagszeit war, sollte es gar nicht so einfach sein, da keine Menschenssele auf den Straßen zu sehen war.
Mitten im ort saß ein älterer
Herr im Vorgarten und lass Zeitung. Also hielt ich an und fragte nach der
gesuchten Richtung. Der ältere Herr grinste und fragte: „Wie moagsten foahre,
mit dem Foahrroad?“ Als ich das bejahte, sagte er weiter: „ Doa moagst nit hoch
foarn!“ und deutete auf den nächsten Berg der aus dem Dorf verdammt nach
Höhenmetern aussah.
Ich bedankte mich für die
Auskunft und teilte mit das mir ja nichts anderes übrig bliebe als mit dem
Fahrrad dort drüber zu fahren. Er wies mich noch darauf hin, dass nicht alle
Wege Asphaltiert sind und ich damit rechnen müsse auch mal ein Stück schieben
zu müssen. Das blieb mir jedoch erspart und ich konnte, auch wenn die Abfahrt
auf der anderen Seite des Berges holprig wurde, ohne abzusteigen diesen Berg
bewältigen.
Der Ausblick und die Höhe der
Wolken lassen auf sich schließen, dass ich auf eine Höhe von ca. 900müNN einige
Meter nach oben fahren musste. Aber wer hoch kommt, darf bekannter weise auch
wieder nach unten und es erwartete mich eine kilometerlange, teils holprige und
rasante Abfahrt. Aber hiernach erwartete mich mein eigentliches Endziel
Schaffhausen.
In der Stadt lockte ein Stand mit
frisch gebratenen Würsten, den steuerte ich direkt an. Leider wollte der
Verkäufer keine Euro. Wo ich ihm mitteilen wollte das ich erst Geld tauschen
müsse da ich keine SF hätte, versprach ich mich und sagte DMark. Der Verkäufer
lachte laut und sagte: „ Die hättest wohl gern wieder“ und verspottete wohl mit
gutem Recht die europäische Währung. „Zahlen dürfst für alle die nix hoarm!“
lachte er.
Zeigte mir die nächste Bank, so
hatte ich schnell ein paar Euro getauscht und konnte mir eine Bratwurst für
sage und schreibe 6,50SF (ca.5,00€) kaufen.
Ich schob mein Bike durch die
Innenstadt und schaute mir bis ich am Rhein ankam die engen Gassen an. Da die Tour an diesem
Tag super lief, war es gerade mal 12:30Uhr.
Ich war auf den viel versprochenen
Rheinfall gespannt und machte ich mich auf den Weg. Der Radweg direkt am Rhein
entlang, mit einer Landschaft wie ich sie ja nun gar nicht vom Rhein in
Erinnerung hatte und mit diesem in Verbindung bringen konnte.
An der Fliesgeschwindigkeit des
Rheins konnte man erkennen das es nicht mehr weit sein konnte, man hörte
bereits leise das Rauschen des Wasserfalls.
Vom Gefühl war ich hier schon
angekommen, rund 1400km für diese Laune der Natur! Bei strahlendem Sonneschein
mein letztes Etappenziel vor dem rund 60km entfernten Zürich.
Ich rollte noch einen kleinen
Berg hinunter und befand mich unterhalb des Rheinfalls. Überwältigt von der
Schönheit der Natur, überwältigt es (fast) geschafft zu haben war ich den
Tränen nahe. Ich setzte mich erst mal auf eine Mauer und genoss den Anblick,
durch den Kopf gingen mir verschiedene Momente der Tour. Die schönen Momente, die
ganzen Leute die ich kennenlernen durfte, die Strapazen und auch der Vortag als
ich noch den Rhein und seine langweilige Landschaft, dazu den Wind der mich vom
ersten bis zu diesem Tag quälte und bis aufs letzte Verfluchte.
Aber dann, dann war alles
verziehen, ich war erfüllt mit einem Glücksgefühl und wusste, dass das eine
Leistung war wo ich manchmal selber dran zweifelte es zu schaffen. Aber jetzt
war ich hier, rund 60km vor dem Endziel! So entschloss ich mich auch dieses
noch zu erreichen, an diesem Nachmittag.
Ich fragte jemanden ob er mich
fotografieren könnte, denn auf diesem Foto was ein weiteres Beweisfoto werden
sollte, wollte ich in dem Trikot stecken was immer als Beweisstück diente.
Im Anschluss machte ich mich auf
den Weg zu einer Trinkwasserquelle um meine Trinkflaschen zu füllen. Hier
begegnete ich einen Engländer mit seinem Rennrad, er hatte die Tour noch vor
sich. Er erzählte mir das er gerade von Zürich kommt da er dort seine Tochter
besucht hätte. Jetzt wolle er den kompletten Rhein bis zur Mündung abfahren. Er
zeigte mir auf seiner Karte noch den günstigsten Weg nach Zürich. Wir tauschten
uns noch Erfahrungen aus und verabschiedeten uns mit den unterschiedlichen
Zielen, mein letztes und sein rund 1000km entferntes. Ich hatte es hinter mir,
er hatte noch alles vor sich. Wir wünschten uns eine gute Zeit und radelten in
die unterschiedlichen Richtungen.
Gefühlt sollte auch die letzte
Etappe nicht lange dauern und ich radelte bei schönstem Wetter die letzten
Kilometer der Tour. Der 9. Tag war geschafft, die Tour war geschafft! Rund
1500km lagen hinter mir!
Daten:
136,13 km
7:04;46 h
D.-Geschw. 19,20 km/h
1203HM
D.-Steig 4%
Max.-Steig 14%
|
Zürich
Gegen 18:00Uhr erreichte ich
Zürich. Um zunächst die Heimfahrt zu organisieren und die nötige Fahrkarte /
Zug zu buchen steuerte ich erst mal den Züricher Hauptbahnhof an.
Der Bahnhof war voll mit
Menschenmassen, die eilig, gestresst und gereizt hin und her liefen. Ich ging
erst mal zu einem Infostand und fragte den Sacharbeiter nach einer Verbindung
und den zu erwartenden Fahrpreis. Dieser konnte mir jedoch keine Auskunft geben,
da er keine Preisübersicht in seinem Computer hatte. So verwies er mich an den
Fahrkartenschalter.
Hauptbahnhof Zürich
Nach ungefähr 20 Minuten Wartezeit
konnte ich an den Schalter herantreten und mein Anliegen vortragen, da diese
nicht für Internationale Fahrkarten zuständig waren wurde ich hier jedoch
erneut abgewiesen und wurde zu dem Reisezentrum geschickt,. Da ich ein Fahrrad
dabei hätte könnte sie den Fahrradstellplatz nicht buchen.
Also ging ich in das Reisezentrum
um festzustellen, dass es ebenfalls völligst überfüllt war. So entschloss ich
mich, mich am nächsten Morgen um die Fahrkarte zu kümmern.
Da ich ja auch noch meine
Unterkunft für diese Nacht sichern musste, kam mir der Infostand wieder in den
Sinn. Dort angekommen, wurde ich erneut abgewiesen und in das Touristen-Center
geschickt. Also ging es in der letzten halben Stunde wie auf manchen Radwegen
im Zickzackkurs durch den Bahnhof.
Am Touristen-Center angekommen,
war ich zumindest hier auf Anhieb an der richtigen Stelle und bekam mit der
Adresse die Information das die gesuchte Jugendherberge ca. 3 km entfernt ist
und für diese Nacht auch noch Betten frei habe.
So setzte ich mich wieder auf
mein Rad und kurbelte mich zur Jugendherberge. Als ich nach dem gewünschten
Zimmer fragte, sollte ich erfahren das sie restlos ausgebucht wären und keine
Betten mehr frei hätten. Da fiel mir erst mal das Lachen aus dem Gesicht, denn
ich sah schon ein teures Hotelzimmer auf mich zu kommen.
Sehr freundlich und hilfsbereit
nach einer Lösung zu suchen, schaute die junge Dame noch mal im Computer nach
und stellte fest das ein Gast noch nicht erschienen sei. Die Betten werden bis 19:00 Uhr freigehalten und wenn man
trotz Buchung nicht erscheint weitergegeben. Fairerweise wollte sie jedoch noch
die 15 Minuten bis 19:15Uhr warten, es könnte ja immer mal was dazwischen
kommen und müsste auch diesem Gast eine Chance geben. Also setzte ich mich vor
die Herberge und wartete bis 19:20Uhr.
Erfreulicherweise ist der
ausgebliebene Gast wirklich nicht erschienen und ich konnte das letzte Bett in
einem 4er-Zimmer belegen. So ging ich auf das Zimmer um zu duschen, mein Bett
herzurichten und zu sehen mit wem ich es in dieser Nacht zu tun haben werde.
Nebenbei meldete ich mich bei Svenja um ihr mitzuteilen das ich heil in Zürich
angekommen war. Wir verabredeten uns für später und ich erfuhr das ihre
Schwester Anne ebenfalls da wäre.
Nachdem ich alles hergerichtet
hatte und frisch geduscht bereit für die Verabredung da stand, war von den
Zimmergenossen immer noch niemand zu sehen gewesen. Also machte ich mich auf
den weg zu Svenja und Anne.
Dort angekommen erfuhr ich das
Svenja am nächsten Tag Geburtstag hatte. So verbrachten wir einen schönen
Abend, tranken mit Svenjas Bekannten ein paar Bierchen und warteten die
Mitternacht ab um Svenja zu gratulieren.
Mit einem schlechtem Gewissen kam
ich gegen 2:00 – 2:30Uhr
zurück zur Jugendherberge. Ich war der Meinung das es wohl nicht so nett wäre,
wenn man sich nicht mal vorstellen konnte und wildfremd nachts die Ruhe von Mitmenschen stören müsse.
Aber hier sollte es auch mal wieder anders als gedacht kommen.
Ich schlich mich leise in das
Zimmer und kleidete mich in einem Vorraum um. Um nicht das Licht anschalten zu
müssen leuchtete ich den Weg mit meinem Mobiltelefon aus und versuchte so leise
wie möglich auf das Hochbett zu kommen.Ich steckte das Handy ein und kletterte
die Leiter hoch, oben angekommen stützte ich mich nach vorne ab. Aber was war
denn in meinem Bett?
Das Licht ging an und ein Mann
indischer Herkunft lag in meinem Bett und brummelte etwas vor sich hin, drehte
sich um und schlief weiter. Der Inder dachte im Vorfeld wohl das ein frisches
Bett angenehmer wäre und tauschte einfach den Schlafplatz.
Na klasse, das letzte Bett und
jetzt liegt noch ein Inder darin. Zwei betten waren noch frei, in dem 4. lag,
unbekannter Herkunft, ein weiterer junger Mann, der mir mit 2-3 Worten Englisch
und Zeichensprache beibrachte das der 4. Mann das untere Bett habe aber auch
noch unterwegs sei.
Also ging ich zur Rezeption und
trug mein Problem vor. Der diensthabende junge Mann regte sich mich geballter
Faust und den Worten „diese Inder!!“ auf.
Nach kurzem Überlegen blieb mir
nichts anderes übrig als das jetzt leere Bett neu zu beziehen und mich in
dieses zu legen. Mit frischer Bettwäsche begab ich mich wieder ins Zimmer. Verärgert
nahm ich jetzt auch keine Rücksicht mehr und bezog mein Bett bei voller
Beleuchtung.
Ich war nicht lange
eingeschlafen, da knallte es in dem Zimmer. Die Tür flog auf und der 4. Mann,
mit einigen Promille im Körper, “versuchte“ so leise wie möglich sein Bett zu
finden. Hierbei nahm er erst mal jede Bettecke und den Tisch mit. Fand aber
dann sein Schlafplatz und es kehrte wieder Ruhe ein.
Am nächsten Morgen sollte ich mit
der nächsten anderen Kultur in Konflikt geraten.
Ich setzte mich an einem Tisch in
den großen Frühstücksraum. Da ich mir irgendwann noch etwas zu Essen nachholen
wollte, lies ich mein Tablett stehen und holte mir noch etwas Korn-Flakes. Als
ich zurück kam, war mein Tablett an die Stirnseite geschoben und der Tisch war
mit einer Chinesischen Gruppe belagert. Da der größte Teil des Essensaales und
so einige Tische leer waren, empfand ich es als Frechheit und wollte meinen
Platz auch nicht ohne weiteres räumen. So verscheuchte ich den Chinesen der auf
meinem Platz saß und nahm diesen wieder ein.
Dann kam der Kulturschock!
Ich habe das erste mal in meinem
Leben mit Chinesen an einem Tisch gegessen. Das kann man ehrlich gesagt keinem
Wünschen und keinem zumuten. Es wurde lauthals geschmatzt, geschlürft und
gesabbert. Wenn dabei irgendwelche angekauten Essenreste aus dem Mund fielen,
wurde es einfach wieder nachgeschoben. Ich bin eigentlich durch meinem Beruf in
solchen Sachen abgestumpft und schmerzfrei, war aber an diesem Tag bedient und
lies angewidert mein Tablett auf dem Tisch und ging.
Ich checkte aus, nahm mein
Rucksack auf den Rücken und radelte bei strahlend blauem Himmel zum Hauptbahnhof.
Diesmal sollte es ganz schnell gehen, bekam meine Fahrkarte und eine Verbindung
ab 15:00 Uhr. Meinen
Rucksack deponierte ich beim Gepäckservice damit ich für diesen Tag den Ballast
los war. So hatte ich einige Stunden in Zürich und konnte mir einen ruhigen Tag
machen. Der Himmel gab her was er versprach und lies die Temperatur auf 32°C
ansteigen.
Ich wollte eine weitere Bekannte
an ihrem Arbeitsplatz besuchen und dort einen Kaffee trinken. Leider hatte sie
an diesem Tag frei, war aber auch selber schuld, hätte mich ja vorher mal
melden und mit ihr verabreden können. Den Kaffee trank ich trotzdem und
unterhielt mich mit einer älteren Frau, die lange in Deutschland lebte und
“damals“ in Frankfurt a.M. heiratete.
Im Anschluss rollte ich zurück an
den Zürichsee. Da es auf die Mittagszeit zu ging, wurde es immer wärmer. So
spazierte ich, das Fahrrad schiebend, am Ufer entlang bis ich ein nettes
Plätzchen zum verweilen gefunden hatte. Ich setzte mich an den See und sah mir
die Alpen im Hintergrund an. Zufrieden mit mir und der Tour lies ich die Zeit
einfach an mir vorbei streichen.
Jetzt sind ziemlich genau nach
der Ankunft in Zürich 2 Wochen vergangen.
Langsam hat es sich rumgesprochen
was man “geleistet“ hat. Man wird oft befragt und bekommt die Anerkennung
ausgesprochen. Klar war es eine Tour die nicht jeder einfach mal so macht, klar
ist auch das eine Menge Kilometer zusammen gekommen sind und diese trotz diesem
verdammten Gegenwind zu bewältigen waren.
Jetzt im Nachhinein kann ich
sagen, dass ich es nie bereuen werde diese Tour angegangen und durchgezogen zu
haben. Vergessen sind zum größten Teil die Strapazen und verziehen ist es dem
Wind, er hat mit zwar das Leben schwer gemacht aber er hat mich noch lange
nicht zur Aufgabe gezwungen.
In Vergessenheit werden niemals
die schönen Momente, und vor allem auch nicht die unzähligen Menschen gehen,
die mit Rat und Tat zur Seite standen, denen man begegnet ist und ins Gespräch
kam und auch nicht diese, die einem die nächsten Kilometer zeigten oder
erklärten und anzusehen war das sie einem gerne weiter geholfen haben.
Es gab einige nette und liebenswerte
Menschen mit denen man einfach ins Gespräch kam und sich austauschte, die
Geschichten anhörte, die eigene erzählte und auch manche kritische Diskussion
führen konnte.
Es traten noch mal 2 besonders
liebenswerte Menschen in meinem Leben. Eine Person denkt ähnlich wie ich, die
zweite konnte man nicht ganz überzeugen und so werden sich jetzt, 2 Wochen
später, die Wege wieder trennen. Aber was es aus macht ist der Moment. In
diesem Moment war ich Glücklich und wird immer ein besonderen Stellenwert in
meinem Leben behalten.
Manchmal dachte ich, zu
Facebook-Zeiten sollte man doch den Freundeskreis vergrößern, sich auch dort
kennenlernen. Jetzt bin ich froh das es niemals so “intim“ wurde und man sich
für diese Zeit begegnete und nur noch das was man möchte in Erinnerung behalten
soll oder auch kann.
Die Tour bescherte Momente mit
Strapazen, mit dem unaufhörlichen Kampf gegen den Wind. Steigungen und die
Mentale Herausforderung am Rhein. Jeder Kampf, jede Herausforderung, jedes Mal
wenn man zu fluchen begann und sich fragte was man sich überhaupt antut, all
diese Momente stärkten das Vertrauen in sich selbst und zeigte einem das man
alles schaffen kann wenn man es nur möchte.
So blicke ich auf einen erfüllten
Urlaub zurück und wünsche mir das mein nächster genauso spannend und
herausfordernd wird. Man hat nach langer Zeit wieder gesehen wie schön die
Natur sein kann, fragt sich immer wieder warum man es in seinem Alltag nicht
mehr erkennt und sich diese eigentlich wunderbare Welt zerstört.
Mir ist es genau 4 Mal passiert,
dass am Wegesrand 2 grau/weiße Tauben aufgestiegen und als Paar davon geflogen
sind. Aufgefallen war das sie jedes Mal die gleiche Farbe hatten. Es war 2 Mal
in kritische Momente wo ich mir nicht sicher war ob ich auf dem richtigen Weg
war und es waren 2 Mal besondere Momente wo ich besonders zufrieden war. Jedes
Mal erfüllte mich ein Gefühl auf den richtigen Weg zu sein.
An dieser Stelle mag ich Gott für
die Kraft danken, das er mich auf der Tour beschützt und vor Unfällen oder
anderem Unheil bewahrt hat.
Ich danke aber auch nochmals
allen Menschen die mir im Vorfeld der Tour mit Rat und Tat zur Seite standen!
Die mir sinnvolle Tipps geben konnten und immer an mein Vorhaben glaubten und
mir Mut zu sprachen.
Aber ich danke auch den Menschen
die meine Tour zuhause am Computer verfolgten und mit kleinen Kommentaren immer
wieder den Anreiz gaben die nächste Etappe in Angriff zu nehmen.
Tag
|
km
|
Zeit
|
Durchschn.-km/h
|
Höhenmeter
|
Durchschn.-Steig
%
|
max.
Steig. %
|
1.
|
155,57
|
6,26
|
24,10
|
482,00
|
1,00
|
4,00
|
2.
|
160,45
|
7,56
|
20,20
|
481,00
|
1,00
|
13,00
|
3.
|
165,43
|
7,10
|
23,00
|
259,00
|
2,00
|
9,00
|
4.
|
140,33
|
6,50
|
23,10
|
918,00
|
2,00
|
10,00
|
5.
|
132,78
|
6,11
|
21,40
|
747,00
|
2,00
|
13,00
|
6.
|
184,34
|
8,45
|
21,00
|
1.997,00
|
3,00
|
15,00
|
7.
|
217,12
|
9,16
|
23,40
|
435,00
|
1,00
|
7,00
|
8.
|
145,49
|
6,45
|
21,40
|
220,00
|
1,00
|
9,00
|
9.
|
136,13
|
7,05
|
19,20
|
1.203,00
|
4,00
|
14,00
|
10.
|
40,81
|
4,17
|
9,50
|
196,00
|
3,00
|
14,00
|
1.478,45
|
71,00
|
6.938,00
|